Und plötzlich gibt es keine andere Priorität als die IT-Fähigkeit der Kanzlei. Was über Jahre vernachlässigt wurde, muss nun in Tagen / Stunden umgesetzt werden. Aus der Corona Krise werden nicht zuletzt die Kanzleien als Sieger hervorgehen, die IT richtig begreifen und einsetzen können.
Wir erstellen bereits seit 2010 Kanzleisoftware und wie schön war es zunächst, als Legal Tech aufkam und ein deutlich schärferes Bewusstsein für IT in Kanzleien schaffte. Doch wie in vielen Trends tauchten auch hier viele Gurus und Spin Doktoren auf und versprachen magische Wunderwerke mittels der noch magischeren AI, der artificial intelligence. Hier wurde leider viel Porzellan zerschlagen.
Aber ganz gemäß dem Motto „Krise als Chance“ – brauchte es eine Krise wie jetzt, um das Bewusstsein für die wirklich essenziellen Bereiche der Kanzleidigitalisierung zu schaffen. Kanzleien müssen die folgenden Bereiche fest im Griff haben, um nicht nur für eine weitere Krise gerüstet zu sein, sondern – kurz- und mittelfristig (!) – im Markt bestehen zu können. Die Bereiche sind bewusst nur kurz umschrieben, da eine detaillierte Darstellung den Rahmen des Artikels bei weitem sprengen würde.
Legal Cloud
Als Kanzlei haben Sie bez. Datenaufbewahrung ganz besondere Anforderungen. Nicht nur müssen die Daten DSGVO konform gespeichert sein, Sie müssen auch rechtlichen sowie standesrechtlichen Anforderungen genügen wie Beschlagnahmeschutz, etc. Es gibt mittlerweile einige Anbieter wie z. B. die MANZ Cloud, die solche Lösungen bereitstellen. Solche Anbieter haben redundante Systeme zur Datensicherung, inkrementelle Backups etc. Die Migration auf eine Legal Cloud muss Ihr erster Schritt bez. Digitalisierung sein.
Remote Zugriff / Digitale Arbeitsräume intern und für Klienten
Das Verharren vor dem Schreibtisch als Leistungsausweis ist Geschichte. Sie müssen digitale Arbeitsräume schaffen, die für Mandantenbetreuung und für interne Kollaboration rasch bereitstehen. Solche Räume müssen regelmäßig gewartet und getestet werden. Wenn Ihnen IT-Profis zu teuer sind, schulen Sie interne Kräfte ein. Diese Schulungen müssen regelmäßig wiederholt werden.
Digitale Aktenführung
In einigen Ländern gibt es bereits den digitalen Akt. Daneben müssen Sie aber radikal Schluss mit dicken Aktenordnern machen. Diese Daten gehören eingescannt und – ganz wichtig – richtig indexiert. Diese Indexierung muss in einer dafür geeigneten Datenbank erfolgen, die diese Daten auch für weitere Zwecke wie Schulungen, interne/externe Kommunikation verwendet. Dabei ist es essenziell bei der Indexierung vermerken zu können, welche Daten vertraulich und welche für eine Außenkommunikation möglich sind.
Kollaborativer Ansatz für die Bearbeitung von Unterlagen
Falls Sie immer e-mails für jede kleine Anfrage bei Kollegen oder Mandanten verwenden, müssen Sie dringend sg Kollaborationstools einsetzen. Diese Tools, wie z. B. Microsoft Teams, ermöglichen Ihnen z. B. zu einem Akt oder einem Thema einen Chat-Raum zu schaffen und in diesem sich rasch auszutauschen.
Agiles Projektmanagement
Sobald mehr als 2 Personen an einem Akt arbeiten, müssen sie sich entsprechend koordinieren. Weder ist eine lockere Besprechung beim Kaffee dazu geeignet noch neurotische Zwangsmeetings im Tagestakt. Ein agiles Projektmanagementtool wie z. B. Microsoft Planner zeigt allen zu jederzeit wie der Stand der Arbeiten ist. Nachfragen können unmittelbar in einer geplanten Aufgabe geschehen. Es muss niemand mehr zuerst auf eine Aufgabe referenzieren.
Datensammlung und Strukturierung
Wenn Sie z. B. für Profitabilitätsberechnungen jedes Mal mühsamst Daten via Excel zusammensammeln müssen, werden Sie das einfach nicht oft tun. Speziell im Controlling, aber auch in anderen betriebswirtschaftlichen Bereichen der Kanzlei, müssen Systeme Ihnen Daten auf Knopfdruck bereitstellen.
Cybersecurity
E Mails are the last resort! E-Mails sind so ziemlich das unsicherste was Sie verwenden können. Auch verschlüsselt ist eine e-mail nachwievor einer gut angelegten Cloud-Lösung unterlegen. Versenden sollten Sie daher Links zu Dokumenten, die in einer Cloud liegen.
Passen Sie auch mit dem Rechtemanagement auf. Nicht alles was Sie bez. Datenfreigabe machen können sollten Sie auch tun.
Und schliesslich: Bitte, bitte schulen Sie Ihre Mitarbeiter! Das größte Risiko für IT-Systeme sitzt immer vor dem PC.
Tools für eine Beschleunigung für Electronic Discovery
Wer die Electronic Discovery heute noch rein manuell macht, hat verloren. Nein, es gibt keine AI die Ihnen hier alle Arbeiten abnimmt, aber es gibt gute System, die eine starke Teilautomatisierung ermöglichen. Auch wenn Sie nur ein kleines Visual Basic Script schreiben, das z. B. den Begriff XY rasch erkennt und rot markiert, sparen Sie sich – und dem Mandanten – eine Menge Zeit.
Customer/Client Relationship Management
Mehrfachpitches verschiedener Teams an den gleichen Mandanten, vergessen von essentiellen persönlichen Präferenzen des Mandanten, verlegen von Angeboten, fehlendes Cross-Selling – falls Ihnen das bekannt vorkommt, brauchen Sie ein CRM System. Nein, bitte kaufen Sie keine sündhaft teuren Salesforce-Lösungen. Es reicht oft das, was Sie in Office On Board, also gratis (!), dabei haben wie z. B. den Business Contact Manager von Microsoft.
Back Office Automatisierung: Submissions, Marketing / Content Sammlung und Erstellung
Wenn Sie jedes Mal erst die letzten 5 Präsentationen durchsuchen müssen, um einen Pitch zu erstellen, laufen Sie der Entwicklung bereits weit hinterher. Ihre Marketingsoftware muss alle relevanten Infos einsammeln damit Sie auf Knopfdruck Pitches, Submissions, Pressemeldungen, Engagement Letters etc. produzieren können. Verwaltet werden muss die Software von einer dafür ausdrücklich beauftragten Stelle.
Back Office Automatisierung: Zeit- und Leistungserfassung
Diese Systeme müssen Schnittstellen zu allen weiteren Systemen wie z. B. Controlling bereitstellen. Proprietäre Insellösungen gehören weg.
Branchenspezifische Tools, die Klienten verlangen.
Der mündige Mandant ist mittlerweile die Regel. Branchenspezifische Tools für die Leistungsdarstellung- und Abrechnungen für Kanzleien müssen von Ihnen beherrscht und von alleine dem Mandanten angeboten werden.
Weitere Tools Vertragserstellung etc.
Es gibt noch Tonnen weiterer Tools z. B. für Vertragserstellung, Urteilssuche etc. Seien Sie bitte beim Kauf vorsichtig und prüfen Sie diese Tools durch ganz konkrete Anwendungsszenarien. Es gibt nachwievor keine AI die Anwälte ersetzt! Aber es gibt sehr wohl gute Datenbanken, die Ihnen massiv helfen können.
Kulturelle Änderungen / Erwartungshaltung.
Last but not least: Sie müssen Ihre Kanzleikultur dahingehend ändern, dass IT- Kompetenz eine Muss und kein Nice-To-Have ist. Sie müssen Ihre Mitarbeiter auf allen Leveln schulen und regelmäßig Trainings anbieten. Speziell im Recruiting muss strengstens auf IT-Kompetenz geschaut werden.
Und ganz wichtig: Sie müssen einen klaren Blick auf IT haben. Keine Software ist ein Wunderwerk, dass nach dem Kauf von alleine läuft. Sie müssen sich immer bewusst sein, dass Sie und Ihr Team die System auch mit Daten füttern und aktualisieren müssen. Dafür müssen bereits bei der Auswahl und bei Testen der Systeme entsprechende Rollen innerhalb der Kanzlei verteilt werden. So muss z. B. jeder, der einen Akt anlegt darauf geschult – und dazu verpflichtet werden – z. B. marketingrelevante Informationen in entsprechende Software zu übertragen und der gesamten Kanzlei zur Verfügung zu stellen.
Für weitere Informationen und Fragen sehen Sie bitte unsere Seite: https://lawbusiness.de/services/kanzlei-digitalisierung/