Obwohl Rankings grundsätzlich eine sehr positive Entwicklung in der Rechtsbranche ausgelöst haben und einen hohen Mehrwert für alle Zielgruppen darstellen (siehe Kapitel 1.2), gibt es innerhalb der Rankingindustrie auch einige Verbesserungspotenziale.
Aufwand verringern
„Haben wir das nicht gerade erst gemacht?“ – Eine Frage, die in Kanzleien im Zusammenhang mit Rankings häufig gestellt wird. Tatsächlich empfehle ich meinen Kunden, sämtliche Rankingtasks nur noch mithilfe von Projektmanagementtools wie Microsoft © Project durchführen zu lassen.
Handelte es sich früher noch überschaubare Zeiteinsätze – wie z. B. vier Abgabefristen pro Jahr, für die man sich insgesamt ca. drei Wochen Zeit nehmen musste –, so sind Rankings heute so umfangreich geworden, dass man sich dafür das ganze Jahr über Zeit nehmen muss. Vor allem große Kanzleien sind davon besonders betroffen. Es ist eine Sache, z. B. für Arbeitsrecht Zürich eine Submission vorzubereiten – auch dafür muss man sich natürlich Zeit nehmen, aber der Aufwand ist im Verhältnis zu den vorhandenen Ressourcen und vor allem zu den innerkanzleipolitischen Zielen noch vertretbar. Aber schon ab etwa vier verschiedenen Rechtsgebieten wird es bedeutend komplizierter: Welche Causen sollen für wen ausgewählt werden? Wer hat wo die Unterlagen bezüglich Causa X abgelegt? Können wir eine Causa in mehreren Rechtsgebieten einreichen? Nein? Dann nehmen wir Causa X für mein Rechtsgebiet … etc.
Ca. 15h Nettoarbeitszeit pro Submission pro Rechtsgebiet
Auch wenn Kanzleien eigene Abteilungen für Rankings aufbauen und/oder externe Berater und Dienstleister hinzuziehen, ist der Aufwand nach wie vor groß. Will man ein Rechtsgebiet sauber und professionell behandeln, so sind für eine Submission und die dazugehörenden Client Referees ca. 15 Stunden Nettoarbeitszeit aufzuwenden. Und dabei ist nur die reine Schreib- und Recherchezeit sowie die oft notwendige Übersetzung ins Englische eingerechnet. Die Zeit, die für Nachfragen nach Informationen und das Erreichen von Kanzleipartnern aufgewendet wird, beläuft sich häufig auf ein Mehrfaches. Ebenfalls einzurechnen sind oft noch mehrfache Feedbackrunden, an deren Ende neues Feedback gegeben wird, das wieder ein Umarbeiten der Submissions erfordert.
Außerdem wären da natürlich noch die Befragungen von Klienten. Es ist kein Problem, einen Klienten zu bitten, sich einmal pro Jahr Zeit zu nehmen und einem Ranking Fragen über die Zusammenarbeit mit der Kanzlei zu beantworten. Der selbe Klient wird jedoch für z.B. vier Befragungen pro Jahr verständlicherweise schon nicht mehr so gerne zur Verfügung stehen.
Die ganze Prozedur führt bei vielen Kanzleien zu einem verständlichen Dauerstress, der nur durch entsprechend effiziente Organisation vermieden werden kann – siehe dazu Kapitel 6.3.
Deadlines besser wählen
Es ist schon schwer genug, von vielbeschäftigen Juristen während der regulären Arbeitszeiten Feedback einzusammeln. Trotzdem gibt es Rankings, die ihre Deadlines ausgerechnet in die Ferienzeit setzen. Deadlines im August oder – noch schlimmer – im Dezember tragen wenig zum entspannten Umgang mit der Materie bei. Als Argument für das Setzen solcher Deadlines wird ironischerweise häufig die „Verfügbarkeit von Kanzleipartnern“ genannt. Natürlich sind in diesen Zeiträumen Partner nicht zu 100% mit Mandaten beschäftigt – das ist jedoch kein Grund, sich in wohlverdiente Entspannungsphasen hineinzudrängen. Solchen schlecht gewählten Deadlines kann man jedoch meist durch entsprechende Organisation ausweichen – siehe Kapitel 6.4.
Klienten besser abholen
Es ist ohnehin schon ein sehr heikles Unterfangen, Klienten zu bitten, sich Zeit für Befragungen zu nehmen, die nur ihrer Kanzlei einen Nutzen bringen. Umso schwerer wiegt es, wenn Klienten nicht korrekt befragt werden. Leider passiert es immer wieder, dass Rankings Klienten in den Ferien anfragen oder ihnen sehr knappe Deadlines für die Beantwortung von Fragebögen setzen. Auch kann es passieren, dass Telefoninterviews zu langwierig sind oder die Fragestellung vom eigentlichen Thema abweicht.
Wie man sich auf solche Entwicklungen erfolgreich einstellen kann, lesen Sie in Kapitel 6.5.
Nachvollziehbar bewerten
Eine unverständliche Bewertung oder eine Nicht-Aufnahme in ein Ranking tragen naturgemäß am meisten zur Verstimmung bei. Nach all der Arbeit, die dafür aufgewendet wurde, ist es für Kanzleien nur schwer nachvollziehbar, wenn das angepeilte Ranking nicht erreicht wurde. Natürlich kommt es auch vor, dass Kanzleien einfach schlechte Submissions machen und falsche Erwartungshaltungen aufbauen. Dass minderwertige Submissions nicht den gewünschten Effekt haben, ist nur korrekt, weil ja sonst all die umfangreichen und mit viel Aufwand erstellten Submissions anderer Kanzleien abgewertet würden und auch die Marktdarstellung verzerrt würde.
Abseits solcher Fälle gibt es jedoch immer wieder auch gute Submissions, die dennoch zu keiner Steigerung im oder zu einer Neuaufnahme in das Ranking führen. In beiden Fällen wird von den Rankings oft auf schlechtes Feedback der Client Referees verwiesen. Das ist für Kanzleien natürlich unbefriedigend, da man auf Klienten weder Druck ausüben kann noch möchte und letztlich der Eindruck entsteht, als ob die Submissions an sich sinnlos wären. Wozu soll man denn die ganzen Dokumente sammeln, wenn am Ende des Tages die Klienteninterviews entscheiden? – Leider greift diese Frage zu kurz. Rankings argumentieren, dass die Submissions die absolute Grundlage dafür sind, um für eine gute Platzierung überhaupt nur berücksichtigt zu werden. Klienteninterviews seien dann quasi die Feinsteuerung, die z. B. über Rang 1 oder 2 entscheidet.
Wie Sie das beste Klientenfeedback erreichen können, lesen Sie in Kapitel 6.5.
Ein Spezialfall ist die erwähnte Erstaufnahme in Rankings. Hier sind die Directories besonders heikel. In der Regel muss man schon eine außergewöhnlich gute Submission inklusive Client Referees abgeben, um gleich beim ersten Versuch ins Ranking aufgenommen zu werden. Grund dafür ist die bewusst langfristige Evaluierung des Markts. Würde eine Kanzlei nach nur einem guten Jahr gleich z. B. auf Platz 2 von 4 aufgenommen, müsste sie bei einem schlechten nächsten Jahr oder bei einer Nichteinreichung im Folgejahr ja wieder aus dem Ranking gestrichen werden. Damit würden die Rankings schwammig und zu volatil.
Also prüfen die Rankings, welche Kanzleien über mehrere Perioden konstant gut abschneiden, bevor Neueinträge aufgenommen werden. Natürlich ist dieses Vorgehen auch ein Mittel, Kanzleien bei der Stange zu halten, um jährlich mitzumachen und nicht abzuspringen – unterm Strich entbehrt es jedoch nicht einer soliden Logik. Gleichwohl wäre es unter Umständen angebracht, hier nicht zu viel Härte an den Tag zu legen und differenzierter zu entscheiden.
Teilnahme-Druck auf Kanzleien verringern
Da Rankings mittlerweile so populär sind, wundern sich bestehende und potenzielle Klienten, Referenzpartner und Jungjuristen häufig, warum Kanzlei X „nicht dabei“ ist. Natürlich wird von keiner Kanzlei erwartet, dass sie in jedem Ranking mitmischt, aber vor allem von großen Kanzleien wird nicht nur eine Teilnahme, sondern auch eine Topplatzierung zumindest in den populärsten Rankings erwartet.
Je kleiner eine Kanzlei ist, desto mehr nimmt dieser Druck ab – oder zumindest war das bisher so. Mittlerweile sind schon sehr viele Kanzleiboutiquen in den Rankings vertreten und sogar Ein-Personen-Kanzleien sind in Top Rankings eingezogen.
Auch kleine Kanzleien spüren immer mehr den Druck an Rankings teilnehmen zu müssen
Diese Entwicklung spiegelt den Konkurrenzdruck innerhalb der Rechtsbranche wider. Die Frage ist natürlich berechtigt, ob dieser Druck nicht auch durch die Rankings verstärkt wurde, weil durch sie erstmals ein Mittel zur Schaffung einer gewichteten Markttransparenz eingeführt wurde. Zu einem gewissen Teil stimmt das – auf der anderen Seite hätten die Rankings wohl gar nicht so viel Zulauf gehabt, wenn der Konkurrenzdruck geringer gewesen wäre und für alle Marktteilnehmer Klienten im Überfluss vorhanden gewesen wären.
Rankings besser und seriöser gestalten
Dieser Punkt ist zurzeit der mit Abstand wichtigste. Erfolgreiche Entwicklungen eines Produkts oder einer Dienstleistungen finden immer Nachahmer. Solange die Konkurrenten seriös und kompetent agieren, ist dagegen aus Kundensicht auch gar nichts einzuwenden. Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft und verschafft den Kunden Zugang zu billigeren und besseren Services.
Leider haben sich in der Rankingindustrie vermehrt hinterfragenswerte Rankings breitgemacht, die Datenerhebungen nur mangelhaft durchführen bzw. „Awards“ einfach an den Meistbieter verschenken („Pay for play“). Kanzleien erhalten recht unerwartet eine E-Mail, die besagt, irgendjemand habe entschieden, dass die Kanzlei einen Award für Rechtsgebiet X bekommen solle. Auch ich, als Unternehmensberater der kein Recht praktiziert, habe von einem solchen „Ranking“ eine E-Mail bekommen, die mir zum Gewinn eines Awards in einem Rechtsgebiet gratuliert hat!
Der Wunsch mancher Kanzleien, in einem Ranking aufzuscheinen, ist aber so groß, dass sogar diese Anbieter regen Zulauf haben. Das schadet jedoch der gesamten Rankingbranche und sorgt bei allen Zielgruppen für Verwirrung. Obwohl einige Rankings mittlerweile kritisch beurteilt werden, fallen Kanzleien immer noch auf unseriöse Anbieter herein. Als zu groß wird oft der Druck empfunden, keinen oder zu wenige „Awards“ oder „Ranglisten-Resultate“ auf der Webseite stehen zu haben.
Das wirkt sich leider auch auf die Klienten aus. Besonders kleinere Unternehmen führen aus Kostengründen kaum eine groß angelegte Recherche über die Qualität der Rankinganbieter auf einer Kanzleiseite durch. Meist sieht sich der Klient solche Auszeichnungen auf vier Kriterien hin durch:
- Passt der Award zu meinen juristischen Problemen? Ist das Rechtsgebiet, in dem ich Beratung benötige und/oder die Branche, in der ich tätig bin, vertreten?
- Platzierung: Wo steht die Kanzlei in der Rangliste bzw. im Vergleich zu den Mitbewerbern?
- Aktualität: Wie lange ist der letzte Gewinn / das letzte Ranking her?
- Menge: Wie viele verschiedene Auszeichnungen von wie vielen verschiedenen Anbietern wurden gewonnen?
Was soll da schon passieren?, könnte man meinen. – Passieren kann und wird, dass gute Rankings, die bei weitem mehr Aufwand und Kosten investieren als „Pay for play“-Anbieter, in dieses Fahrwasser geraten und entweder ganz wegbrechen oder zumindest an Qualität einbüßen. Das erste Opfer eines solchen Effekts war meiner Meinung nach PLC Which Lawyer? – ein Fall, den ich detailliert unter Kapitel 1.6.7. schildere.
Dass Klienten sich bei unvorsichtiger Auswahl in der Folge schlechte Rechtsberatung einkaufen und dadurch Schaden nehmen können, versteht sich von selbst.
Das Ende von PLC Which Lawyer?
PLC Which Lawyer? wurde oft in einem Atemzug mit Chambers und Legal 500 genannt, als eines von „diesen Rankings, die man schon braucht“. Im April 2013 ging PLC Which Lawyer? einfach offline.[1]
Obwohl das Ranking als wichtig angesehen wurde, haben die meisten meiner Kunden die Ergebnisse von PLC Which Lawyer? immer mit besonderer Skepsis gesehen. Vor allem die kombinierten Ergebnisse über alle Rechtsgebiete hinweg konnten nicht immer nachvollzogen werden. Auch die Abbildung der jeweiligen Ländermärkte wurde kritisiert.
PLC Which Lawyer? war aber auch und vor allem durch eines aufgefallen: die ständige Nachfrage nach Werbeeinschaltungen für parallele Schwesterpublikationen. Es existierten also neben der Hauptpublikation, die alle Rechtsgebiete und alle Länder enthielt, zusätzlich Publikationen aus dem selben Verlag, die sich zusätzlich speziell auf ein Rechtsgebiet und manchmal auch auf ein Land konzentrierten. Meinen Kunden habe ich meistens empfohlen, nicht teilzunehmen, weil es kaum Sinn ergibt, sich auf Nebenschauplätzen aufzureiben, wenn es ohnehin ein Hauptnachschlagewerk gibt.
Der Grund für dieses „Recycling“ von Daten war natürlich der Wunsch nach mehr Geschäft – wohl auch, weil der Druck vonseiten der Pseudo-Rankings zunahm. Als PLC Which Lawyer? abgeschaltet wurde, erfolgte zwar eine Marktbereinigung, aber leider am falschen Ende. Trotz all seiner Nachteile verfügte das Ranking doch über eine gewisse Steuerungsfähigkeit, und speziell die „One fits all“-Tabelle über alle Rechtsgebiete für ein Land hatte einen sehr raschen Überblick gewährleistet.
[1] http://uk.practicallaw.com/7-523-8197